Unter Pränataldiagnostik versteht man die Untersuchung von fetalem Probenmaterial, dass der schwangeren Frau entnommen wird, auf Chromosomenstörungen oder Genmutationen. Auch nichtinvasive Methoden wie die Ultraschalluntersuchung gehören dazu. Die Pränataldiagnostik dient dazu embryonale Fehlbildungen zu erkennen oder bei bestimmten Krankheiten rechtzeitig eine prä- oder postnatale Therapiemöglichkeit einzuleiten.
Bei Vorliegen einer Indikation zur Pränataldiagnostik wird der behandelnde Arzt oder bevorzugt ein Facharzt für Humangenetik in einem ausführlichen Beratungsgespräch die Möglichkeiten und Techniken, die Sicherheit der Methoden und die denkbaren Konsequenzen darlegen. Bei bekannten genetischen Erkrankungen innerhalb der Familie kann es bei Kinderwunsch sinnvoll sein, schon vor einer Schwangerschaft eine human-genetische Beratung zu nutzen.
Einige Indikationen zur Pränataldiagnostik
- Alter der Schwangeren (ab 35 Jahre), da die Häufigkeit numerischer Chromosomenstörungen mit zunehmendem Alter der Mutter deutlich ansteigt
- Verdacht auf eine Chromosomenstörung z. B. durch auffälligen Ultraschallbefund oder biochemischen Test, pränataler Virusinfekt, Kontakt mit potentiell teratogenen Substanzen (z. B. Drogen, Medikamente, Röntgenstrahlen) während der Schwangerschaft
- Bekannte oder wahrscheinliche genetische Störung in der Familie (z.B. Chromosomentranslokation oder monogene Erbkrankheit; bereits vorhandenes Kind mit einer Chromosomenstörung)
Methoden der Probenentnahme für die Pränataldiagnostik
In den überwiegenden Fällen wird eine der beiden folgenden Methoden angewendet:
Die Amniozentese oder Fruchtwasserpunktion kann ab der 14. SSW erfolgen. Dazu wird durch die Bauchdecke unter Ultraschallkontrolle mit einer feinen Nadel 10-20 ml Fruchtwasser entnommen. Am Fruchtwasser können auch biochemische Untersuchungen wie Alpha-Fetoproteinbestimmung (AFP) vorgenommen werden. Für die zytogenetische Untersuchung des Karyotyps werden aus den Amnionzellen Kulturen angelegt. Nach 10-14 Tagen liegt das Ergebnis vor. Auf Wunsch oder bei besonderer Indikation kann ein sogenannter “Schnelltest” durchgeführt werden.
Die Chorionzottenbiopsie kann ab der 9. SSW erfolgen. Dazu wird unter Ultraschallkontrolle Chorionzottengewebe entnommen. Bei der zytogenetischen Untersuchung des Karyotyps liegt nach einer Direktpräparation bereits am nächsten Tag ein vorläufiges Ergebnis vor. Der endgültige Befund wird nach Auswertung der Langzeitkultur nach 3-5 Wochen erstellt.
Methoden der genetischen Untersuchung bei der Pränataldiagnostik
Während bei Chorionzottengewebe meist sofort teilungsbereite Zellen vorhanden sind, die für die Analyse gebraucht werden, müssen die Amnionzellen erst kultiviert werden, um ausreichend Zellen in der Mitose zu erhalten. Weil die molekular-zytogenetische Methode der FISH-Analyse keine Zellen in Teilung benötigt, sondern Interphasezellkerne ausreichen, kann dieser Schnelltest (s.u.) auch aus Amnion bereits in 24 Stunden ein vorläufiges Ergebnis liefern. Hierbei werden allerdings nur die häufigsten Aneuploidien getestet: ca. 90% aller klinisch relevanten Chromosomenaberrationen bei Lebendgeborenen sind Trisomien der Chromosomen 13, 18, 21 oder Abweichungen in der Anzahl der Geschlechtschromosomen X und Y:
Neben der zytogenetischen Analyse kann bei familiärer genetischer Vorbelastung aus dem Amnion- oder Zottenmaterial auch DNA isoliert und molekulargenetisch auf bestimmte Erbkrankheiten getestet werden.
Schnelltest
FISH-Schnelltest
Nach einer Amniozentese ist das Warten auf das Ergebnis der Langzeitkultur nach 10-14 Tagen für viele werdende Mütter und Familien mit Angst und Beunruhigung verbunden. Ein Schnelltest liefert bereits innerhalb von 24 Stunden einen Befund in Bezug auf die häufigsten Aneuploidien. Ein normales Resultat bringt für die Eltern die Erleichterung, dass die Mehrzahl der Chromosomenanomalien mit hoher Sicherheit ausgeschlossen ist. Obwohl die Ergebnisse des Schnelltests in vielen Studien eine hohe Zuverlässigkeit zeigen, soll vor weitergehenden Entscheidungen das Ergebnis der Langzeitkultur abgewartet werden. Nur wenn die Schwangerschaft bereits weit fortgeschritten ist und deutliche Hinweise auf fetale Anomalien vorliegen, kann das Ergebnis des Schnelltests wichtige Entscheidungskriterien liefern.
Prinzipiell wird beim Schnelltest die Anzahl der Chromosomen 13, 18, 21, X und Y in den fötalen Amnionzellen bestimmt. In unserem Labor stehen dafür zwei verschiedene Methoden zur Verfügung: Beim FISH-Schnelltest wird mit einem Fluoreszenzmikroskop die Anzahl dieser Chromosomen anhand von farbigen Signalen in den Zellkernen bestimmt, nachdem mit spezifischen Sonden hybridisiert wurde. Dieser Test wird standardmäßig von Laboren in der ganzen Welt verwendet und hat die diagnostische Zulassung der FDA in den USA. Viele Studien mit Tausenden von Proben liegen vor, die eine Sicherheit von über 99% nachweisen.
MLPA-Schnelltest
Beim kostengünstigeren molekulargenetischen MLPA-Schnelltest wird nach DNA-Extraktion durch ein semiquantitatives Verfahren auf die Anzahl der vorhandenen Allele geschlossen. Prinzipiell funktioniert der Test ähnlich wie FISH über die Hybridisierung der Sonden an die zu testende DNA. Anstatt aber die Gendosis in einzelnen Zellkernen auszuzählen, wird bei MLPA die Menge vorhandener spezfischer DNA-Abschnitte ins Verhältnis gesetzt zur entsprechenden Menge bei gesunden Testpersonen.
Die Auswertung erfolgt dann nicht am Fluoreszenzmikroskop, sondern anhand der Signalhöhe (exakt:-fläche) des Ergebnisausdrucks eines Kapillarsequenziergerätes:
Durch Vergleich des Gendosismusters des Embryos mit dem gesunder Kontrollpersonen können Abweichungen erkannt werden. Bei einem ca. 1,5fach erhöhten Signal besteht Verdacht auf eine Trisomie, d. h. es gibt drei statt normalerweise zwei homologe Chromosomen (s. Abbildung für die Trisomien 21, 18 und 13). Anhand der Signale für X und Y kann das Geschlecht bestimmt werden. Dabei erkennt man am Gesamtprofil bereits optisch, ob eine Abweichung vorliegt. Zusätzliche Sicherheit wird durch eine mathematische Flächenauswertung erreicht.
Nicht nachzuweisen sind mit dieser Methode im Gegensatz zu FISH seltene Mosaikzustände und Tri-ploidie. Kontamination des Fruchtwassers durch mütterliches Blut kann das Ergebnis verfälschen, daher wird an blutigen Proben kein MLPA-Schnelltest vorgenommen.
Weil die MLPA-Technik erst vor wenigen Jahren entwickelt wurde, liegen im Vergleich zum FISH-Schnelltest deutlich weniger Daten bezüglich der diagnostischen Sicherheit vor. Eine Studie an etwa 500 Proben (s. Literatur unten) bescheinigt dem Test aber eine ähnlich hohe Sicherheit. Selbstverständlich sollten nur anhand des MLPA-Ergebnisses keine weitergehenden Entscheidungen getroffen werden. Genau wie bei FISH muss auf alle Fälle das Ergebnis der Langzeitkultur abgewartet werden.